Popsofa: I'm a motherfucking princess

Popsofa: I'm a motherfucking princess

Schöne Kleider, erlegene Diener*innen, Reichtum und keine Verpflichtungen -wer hätte das nicht gern?

Die stereotype Prinzessin, die wir alle aus Märchen kennen, ist eine schöne Königstochter, die alles dafür tut, das Herz ihres Prinzen zu erobern und seine Frau zu werden. Sie wandert direkt von der Vaterhand an die Hand des nächsten Königs, des werbenden Prinzen. Üblicherweise wird die Prinzessin auf einer durch den König einberufenen Brautschau an einen passenden Prinzen verhökert, im Märchen wird in der Regel die jüngste Prinzessin gewählt - ageism at its best. Die Prinzessin muss nichts leisten, sie hat Macht (oder zumindest hübsche Kleider und erlegene Diener*innen) durch die Erbfolge, dafür aber keine Verpflichtung zum Regieren. Dabei rückt die Rolle der Königinmutter, also der erwachsenen Herrscherin oder Herrschergattin, in den Hintergrund - ein Traum für Elektrikerinnen (ihr wisst schon, Elektra aus der griechischen Sagenwelt, die ihre Mutter umbrachte, das Gegenstück zu Ödipus).

Bescheiden, liebreizend und vor allem - gehorsam!

Manchmal sind die jungen Prinzessinnen noch aufmüpfig, störrisch und wild, ein bekannter Topos, der auch gerne in Disney-Filmen verwendet wird (z.B. Die Schöne und das Biest). Erst durch die Heirat wird die Frau dann so, wie sie sein soll, bescheiden, liebreizend und vor allem gehorsam! Eine weitere Trope, die in Verbindung mit Prinzessinnen steht, ist die Damsel in Distress, die Jungfrau in Nöten. Dabei geht es mehr um das Sich-Beweisen des Prinzen als Mann bzw. Ritter, als um die Prinzessin selbst, er muss ausziehen, um sie zu retten und dabei viele Abenteuer bestehen. Die Princess in Distress ist dann nur noch Auslöser für den Plot und was mit ihr passiert, spielt eigentlich keine Rolle mehr.

Das ändert nichts daran, dass viele kleine Mädchen davon träumen, eine zu sein. Die Gründe dafür sind komplex und haben sicher etwas damit zu tun, dass Schönheit Mädchen immer noch als erstrebenswerteste Eigenschaft verkauft wird und Prinzessinnen nunmal der Inbegriff der passiven Schönheit und Eitelkeit sind (wobei in Filmen auch gerne mit dem Typus “hässliche Prinzessin” gespielt wird, was oft in Fatshaming (z.B. Drei Haselnüsse für Aschenbrödel) und Lookism (z.B. Cinderella) ausartet). Schönheit ist sozusagen das Kapital der Prinzessin schlechthin, um ihr Lebensziel zu erreichen (den Prinzen heiraten) und steht damit stellvertretend für das Schicksal vieler Frauen in den letzten Jahrhunderten. Es hat aber vielleicht auch etwas damit zu tun, dass es einfach Spaß macht, hübsche Kleider und Mamas (oder Papas) Lippenstift auszuprobieren.

Irgendwann kommen die meisten Mädchen in das Alter, wo es eher peinlich ist, Prinzessin sein zu wollen. Prinzessinnen verlieren ihren angesehenen Status und werden als lächerliches Kindheitsding abgetan. Mit zunehmenden Graden an Reflexion wird vielleicht auch bewusst, dass Monarchie als Staatsform und die Idee der Prinzessin aus politischer Sicht nicht unbedingt cool ist. Feministische Prinzessinnen? Geht nicht? Geht doch:

Prinzessinnen haben auch Eigenschaften, die wir gerne aus heutiger feministischer Sicht übernehmen wollen, die denjenigen von uns, die als Kind Prinzessin sein wollten, auch eine gnädigere Sicht auf den eigenen Prinzessinnenfaible möglich machen.

Die Prinzessinnenattitüde kann nämlich auch eine Strategie sein, mit Unterdrückung und Abwertung von außen umzugehen. Viele gegenwärtige Künstler*innen bedienen sich der Prinzessin, um ihrer Queerness, ihrer feministischen Haltung oder auch ihrer persönlichen Unsicherheit Raum zu geben. Hier ein paar Beispiele:

Princess is my gender

Tami T singt in ihrem Song „Princess”: „the tiara that I wear / doesn’t sit upon my hair / it’s inside of me.“ Eine schöne Paraphrase der Plattitüde „die inneren Werte zählen”, ich kann meinen Selbstwert in mir tragen, egal wer mich von außen beurteilt oder meine Schönheit nicht erkennt. Dann geht sie noch weiter: „princess is my gender / don’t call me she or her / the pronoun I prefer is your majesty.”

Die Prinzessinnenattitüde wird eine Strategie des eigenen Grenzensteckens, einem klaren, so und so sollst du mich nennen und nicht anders, so und so darfst du mich behandeln. Hinter dem ironischen Ton und dem lustigen Text steckt etwas Empowerndes, das die Verletzlichkeit und Zartheit des Prinzessinnentums in eine fordernde, selbstbewusste queere Geste verwandelt, die etwas mit Selbstliebe und Selbstwert zu tun hat.

Das ist provokant und bricht mit dem Image der harmoniesüchtigen, von allen geliebt werden wollenden Frau, die sich verstellt, abnimmt, schön macht für andere. Prinzessinnen können auch schwierig, stur, eitel sein, sie bitten nicht um Akzeptanz, sie sehen sie als Grundrecht und als selbstverständlich. Sie finden sich schön und wertvoll, egal wie sie aussehen. Damit hat die Prinzessin als Rolle sowohl feministisches als auch queeres Potential.

My lill’ titties and my fat belly […] Who that? Who that? Who that? - Princess Nokia

Princess Nokia führt diese Haltung weiter, sie als ‚Princess’ fordert ein und bittet nicht, wenn es um Akzeptanz geht. Der Song verhandelt zwar Tomboytum und nicht Prinzessinnentum, aber die Strategie ist dieselbe: radikale Selbstliebe. Alle von der Gesellschaft als Makel herabgesetzten Eigenschaften lieben lernen: „with my lill’ titties and my fat belly/ I could take your man if you finna’ let me/ it’s guarantee that he won’t forget me/ my body little, my soul is heavy.“ Princess Nokia lässt hier selbstverständlich den Prinzessinnenmove raus, und zwar als ‚Tomboy’, das heißt ein Mädchen, das sich ‚jungenhaft’ kleidet und/oder verhält. Damit sprengt sie die Gendernormen und reclaimed die Prinzessin als genderübergreifenden queeren Selbstbehauptungsmodus.

Passiv Aggressive Prinzessinnen

In einer anderen Prinzessinnenfacette streitet Princess Chelsea mit ihrem Duettpartner im hochgehypten Musikvideo zu ihrem Song „It’s just a cigarette”, um ihr Recht eine Zigarette zu rauchen. Dabei sind ihre Haltung und Attitüde im Video prinzessinnenhaft, ein bisschen genervt, überheblich und stur, aber äußerlich gefasst und graziös. Und das obwohl der Film-Boyfriend echt penetrant nervt. Wann bricht die Wut raus? Wir warten noch…

Suri

Suri

Xena

Xena

Prinzessin Mononoke

Prinzessin Mononoke

Aus der hilflosen Damsel in Distress wird eine Kämpferin

Und dann gibt es natürlich den Typus der Warrior Princess, also der Kriegerprinzessin, die auf ganz offensichtliche Weise Stärke repräsentiert. Sie ist schon seit einiger Zeit beliebt, wie die Auswahl der Prinzessinnen in den Bildern oben zeigt. Beispiele gibt es unzählige. Von Wonder Woman (Amazonenprinzessin), über Prinzessin Leia aus Star Wars, über unsere Held*in Prinzessin Mononoke, Xena, Prinzessin Fantaghirò, Disney’s Mulan, bis hin zu Suri aus Black Panther. Dabei sind die Kriegerprinzessinnen nicht alle unbedingt feministisch, Mulan zum Beispiel (zusätzlich aus antirassistischer Sicht ziemlich problematisch) endet dann doch wieder im klassischen Prinzessinnentraum, der Ehe. Aber die vielen Beispiele zeigen auch, dass die Kriegerprinzessin großes Identifikationspotential in sich trägt. Aus der hilflosen Damsel in Distress, wird eine Kämpferin, die sich nicht nur für sich, sondern auch für das Gute in der Welt, bzw. für ihre Familien, Gemeinden etc. einsetzt.

Gegenmodelle schaffen

Das zieht natürlich gut, weil es die bereits bekannte und beliebte Rolle der Prinzessin aufgreift, aber ihr eben ungewohnte Eigenschaften zur Verfügung stellt, wie Mut, körperliche Stärke (die diejenige ihrer männlichen Gegner oft weit überschreitet), Kampfkunst, Selbstbewusstsein, Unabhängigkeit. Die vielen starken, teils konterkarierenden Varianten des Prinzessinnentypus , die sich auch in der queeren Community großer Beliebtheit erfreuen (z.B. Xena und ihr Love-Side-Kick Gabrielle), schaffen Gegenmodelle zu den oft sehr problematischen Darstellungen in Märchen und z.B. den klassischen Disneyfilmen.

Wir machen unser eigenes Prinzessinnending

Wir können also was vom Prinzessinnendasein lernen, sei es die selbstschützende und sich selbst zelebrierende Haltung, wie sie uns Tami T und Princess Nokia vorführen oder sei es der kämpferische Modus der Kriegerprinzessinnen. Dabei sollten wir nicht aus dem Blick verlieren, dass wir als Kinder von Prinzessinnen verführt wurden daran zu glauben, dass uns die Ehe mit einem Prinzen retten wird, wir besonders geliebt werden, wenn wir weiß. schön, dünn und gefügsam sind, fleißig und im Haushalt reinlich. Wenn wir uns das ansehen, merken wir, dass die Prinzessin oft dazu missbraucht wurde, Mädchen früh ein angepasstes Verhalten vorzuleben. Künstler*innen wie Tami T und Princess Nokia zeigen aber: Wir haben es durchschaut! Jetzt machen wir unser eigenes Prinzessinnending, so wie es uns gefällt.

Ricarda Kiels neuer Lyrikband „Kommt her ihr Heinis ich will euch trösten“

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