Songs & Schnack: I Want A Little Sugar In My Bowl
Lasst uns über weibliches Begehren reden. Denn, Breaking News, auch Frauen* sind mal notgeil! Lust auf Sex zu äußern scheint eine Errungenschaft der letzten paar Jahrzehnte zu sein. Tatsächlich gibt es aber einige Songs bereits aus den 30er-Jahren, in denen Blueserinnen* und Blueser* ihre Rolligkeit thematisieren. Die Wünsche zielen klar auf körperliche Sinnlichkeit ab, weswegen nicht wenige, wie auch Nina Simone, über Essen und Nahrung singen.
Während deutschsprachige (Tonfilm-)Schlager und Swing viel vom Küssen, Treusein usw. handeln, geht es in der afroamerikanischen Bluestradition zur Sache. Und da singen Frauen* ebenso launisch und offen wie Männer* darüber, wie gut sie es anstellen mit ihren Partner*innen, wie sehr sie nachgefragt sind und wonach ihnen gerade betttechnisch der Sinn stünde.
Die Poesie der Alltäglichkeiten - bis in die 60er wurde (leidlich) metaphorisch verkleidet, worüber gesungen wird - und es geht um solche Basics wie Essen und Arbeit - machen diese Songs so konkret und sinnlich und so einzigartig. Hier wird nichts verklärt, lyrisch verschwurbelt, oder, wie von Madonna in Like a Prayer verkatholisziert. Nichts muss erhaben sein, es geht um Bedürfnisse, die jede*r seit der eigenen Kindheit kennt: Essen und Sex. Wenn Nina Simone über Lovin' singt, dann dürfen wir schon davon ausgehen, dass es um körperlich (ausgedrückte) Liebe geht. Und es ist so charmant!
Gleichzeitig ist Koketterie mit Lust und Sexualität im höchsten Maß vermarktbar. Hat nicht Serge Gainsbourgh diversen Mademoiselles lüsterne Lyrics in den Mund gelegt? Wenn es um Selbstermächtigung geht, lohnt ein zweiter Blick bei populären Songs. Ist das emanzipatorisch oder ein Anzeichen von Diskriminierung? Sich körperlich anzubieten, und dazu zählt auch Lust- oder Willigkeitsäußerung, ist auch ein Unterordnungs- und Besänftigungsritual. Dazu kommt das rassistische Klischee, dass schwarze Menschen irgendwie triebgesteuerter seien. Sich nach den Erwartungen Mächtigerer zu gebärden, ist, den Herrschenden gehorchen. Für die Ladies, die ich hier vorstelle, kann ich nicht beurteilen, ob die Lustbekundung ein Andienen wegen mehrfacher Diskriminierung ist.
Was aber geht: die Songs zu Hymnen einer weiblichen* Selbstermächtigung zu machen. Anhören, mitsingen, sich inspirieren lassen und den privaten wie künstlerischen Ausdruck der eigenen Lüsternheit nicht scheuen. Let's go!
Viel Spaß mit meiner kleinen Selektion weiblicher Songs über das Lusthaben.
Und jetzt noch ein paar jüngere Songs, die suggestiver sind und bei denen die Kunst der Anspielung leider etwas in den Hintergrund gerückt ist. Wenn man nichts Zweideutiges übrig lässt, wird Hörer*innen eine eigene kleine Lust, die des Rausfindens und Verstehens, weggenommen.
Sharon Jones, die in der Reihe Songs & Schnack bereits erwähnt wurde - wir erinnern uns: Die Plattenfirma fand sie als junge Frau zu klein, zu dick, zu alt und zu schwarz - startete als alte Frau mitsamt schnuckeliger Boys durch und stand (2016 starb sie) mit ihrem Neo-Soul in einer starken schwarzen Tradition. Ebenso traditionell ist die Art und Weise, wie sie über lecker selbst geangelten Fisch in ihrem Teller singt.