Danke, es hat Taschen!
„Thanks, it has pockets!“ ist mitterweile so etwas wie ein feministisches Meme geworden. Wie kommt das? Es ist eine aus dem Leben gegriffene Reaktion auf ein Kompliment, das man bspw. für ein Kleid oder einen Rock bekommt. Dass es überhaupt Taschen hat, ist revolutionär und wird von der Träger*in enthusiastisch begrüßt. Kommt euch bekannt vor?
Eine kleine Geschichte der Tasche
Herrenbekleidung verfügt zumeist über sichtbare und funktionale Taschen, an Damenmode habe diese Seltensheitswert. Und nein, eine Handtasche ist kein adäquater Ersatz.
Noch im Mittelalter waren Gürteltaschen verbreitet, ähnlich zu den heutigen häufiger quer vor der Brust getragenen Dealertäschchen oder den ökigen Varianten, die man am Gürtel befestigen kann. Zunächst über der restlichen Bekleidung getragen, wanderten die Taschen bald in untere Layers der Outfits und im 17. Jahrhundert wurden Taschen ein fester Teil der Herrenbekleidung, permanent eingenäht in Mäntel, Jacken und Hosen. Frauen verwendeten weiterhin Taschen, die sich unter ihren Kleidern versteckten. Da die Rokokomode Volumen und weite Röcke beinhaltete, konnten alle Dinge des täglichen Bedarfs - kleine Nähsets, Essen, Schlüssel, Geld, Flakons - darin untergebracht werden.
Mit der Französischen Revolution wurde die modische Silhouette wieder schmaler. Schlichter und körpernah sollte die Bekleidung sein. Mit der höher sitzenden Taille und dem schlankeren Schnitt war unter den Röcken kein Platz mehr für die Tasche, sie tauchte als Pompadour wieder an der Oberfläche auf. Pompadours sind bis heute die üblichen Taschen zu Hochzeitskleidern oder für den Opernbesuch. Zusätzlich entstanden Chatelaines, ein ladyliker Mix aus Bettelarmband und Werkzeuggürtel, der sichtbar um die Taille getragen wurde.
Das Reformkleid der emanzipatorischen Bestrebungen der Lebensreform in der Mitte des 19. Jahrhunderts verabschiedete sich von Korsetts zugunsten gesunder Frauenkleidung. Lockerer Sitz, fahrradtaugliche Hosen und Bloomers (benannt nach Amelia Bloomer) erlaubten Frauen eine ganz neue Freiheit. Und endlich gab es ausreichend Taschen, auch für die Damenwelt. Einige Fahrradkostüme dieser Zeit enthielten sogar spezielle Taschen für Pistolen.
Schon bald sollte die erste Welle der Frauenbewegung mit den Blaustrümpfen und Suffragetten ganzheitliche Reformen bringen. Sieben oder acht sichtbare Taschen, so schrieb die New York Times schockiert, waren auf der Bekleidung einer Suffragette zu erkennen.
Tätigkeit und Taschen
Frauenbekleidung ohne Taschen zu konstruieren, ist bis heute eine Entscheidung, die auf den Annahmen fußen könnte, dass Frauen nicht bauen und erschaffen und keine Werkzeuge mit sich herumtragen und dass Frauenbekleidung (und der Mensch darin), in erster Linie gut aussehen muss. Funktionalität hinten angestellt. Was natürlich großer Quark ist, denn wo soll frau sonst ihren Leatherman, zwei Tüten Chips und Laurie Pennys Gesammelte Werke unterbringen, wenn nicht in der Hosentasche? Scheinbar ist die Realität zeitgemäßen weiblichen* Lebens noch nicht bei allen Modedesigner*innen angekommen.
Inspirierend ist, wie einige Kreative dann einfach Custom-Lösungen fanden: Der Maler David Hockney ließ sich in seine Mäntel eine extra Tasche einnähen, um sein Skizzenbuch darin unterzubringen und der Musiker Arthur Russel bevorzugte Taschen an seinen Hemden, in denen ein kleines Notizbuch und ein Stift immer mit dabei waren.
Falls jemand von euch The Crown guckt oder sehr altmodisch erzogen wurde: Wohin mit den Händen in verlegenen Momenten, wenn nicht in die Hosentaschen? Elizabeth II., in der Serie dargestellt von Claire Foy, sieht man in emotionalen Momenten die Hände ringen, sie hält sie vor der Taille und knetet sich die Finger, denn als Lady kommen andere Übersprungshandlungen nicht in Frage. Wie sehr würde ich ihr in solchen Momenten Taschen an ihren Roben gönnen, in denen sie die Hände vergraben kann! Die Hände in die Hosentaschen zu versenken gilt freilich als lümmelhaft und ziemt sich auch in anderen Situationen nicht, wo Hierarchien ausagiert werden (Militär, Business, Galaempfang). Hosentaschen sind hier ein subversives Refugium für die körperlichen Werkzeuge der Unterdrückten; die Produktionsmittel linke und rechte Hand werden vor den Mächtigen versteckt - leider keine Arbeit möglich, sowas Doofes.
Noch ein anderer Aspekt an Taschen an Kleidung vs. der Handtasche, die Ellenbeuge oder Hand belegt: Man hat die Hände frei und ist damit schon sprichwörtlich bereit, anzupacken. Ob es nun das Gegenüber ist oder der Schmagges eines echten Machers, neue Projekte anzugehen.